Weinberg Keitum Sylt SG Nord Handtuch Wein Weinrebe Jörg Müller Ben

Erst Wasser, dann Wein

WIE DER WEINBERG ZU SOMMELIER BENJAMIN MÜLLER-BIRKHOLZ GEKOMMEN IST

Als Sommelier Benjamin Müller-Birkholz seiner Frau erzählte, dass er sich vorstellen könnte, selber Wein anzubauen. Da wusste er noch nicht, dass seine flotte Idee ganz schnell in eine Menge Arbeit ausarten würde. Nur kurze Zeit später stand der nördlichste Weinberg Deutschlands tatsächlich zum Verkauf. Und dass Müller-Birkholz gerne mal ins kalte Wasser springt, kennt man von ihm. Als Teil der „Schwimmgruppe Nord“ badet er auch im tiefsten Winter noch fast täglich in der eisigen Nordsee. Er wusste, dass es so eine Gelegenheit so schnell nicht wieder geben würde. Schnell hat er seinen Schwiegervater Jörg Müller mit eingespannt, um das Familienunternehmen – ein renommiertes Restaurant – um einen eigenen Weinberg zu erweitern. Zudem wurde so der Wunsch der Vorbesitzer erfüllt, dass die Weinreben in Sylter Hände bleiben – die perfekte Win-win-Situation für Käufer und Verkäufer.

Jörg Müllers Begeisterung war nicht ganz so leicht entflammbar wie die seines Schwiegersohnes. Seit Jahrzehnten ist er als selbstständiger Gastronom und Hotelier im Geschäft. Er weiß wie viel Zeit und Einsatz ein solcher Schritt kostet. Für ihn steht außer Frage, dass er das herausragende Qualitätsniveau, das er seit 60 Jahren in der Küche bietet, auch mit seinem eigenen Wein bieten will. Aber die einmalige Chance, einen edlen Tropfen selbst zu produzieren, war einfach zu verlockend. Und so wurde aus dem Gastronom Jörg Müller auch ein ambitionierter Insel-Winzer, der sich mit vollem Elan in die neue Aufgabe stürzte.

JustSylt hat die beiden bei einem ihrer zahlreichen Abstechern zum Weinberg, in dem sie jetzt jede freie Minute verbringen,  begleitet. Hohe Ziele, Sorfalt und jede Menge Arbeit sind nötig, damit schon die erste Ernte im Herbst 2022 einen guten Ertrag bringt. Beide Neu-Winzer sind zwar Liebhaber guter Weine, haben aber deren Herstellung bisher vor allem als interessierte Zaungäste begleitet. Damit der Plan vom eigenen Rebsaft gelingt, gibt´s fachkundige Hilfe der Familie Keller vom Traditionsweingut Kelleraus Flörsheim-Dalsheim in Rheinhessen. Und das Projekt Sylter Weinberg ist so spannend, dass die Profis gleich zu Dritt auf die Insel gekommen sind, um der Familie Müller mit Rat und Tat unter die Arme zu greifen.

Winzer Julia und Klaus-Peter Keller führen ihr Weingut bereits in der zehnten Generation – und auch die Söhne stehen schon bereit, um die Tradition weiterzuführen. Genau die Richtigen also, um Benjamin und Jörg Starthilfe auf ihrem Weinberg und bei ihren ersten Schritten zu geben. Bereits Anfang des Jahres offenbarten die Profis, dass der Weg noch weit sei, um die bisher im Hobby-Modus bewirtschafteten Reben in einen blühenden, professionellen Weinberg zu verwandeln.

Insgesamt kümmern sie sich nun um 0,7 Hektar Reben-Land, das schon die letzten Jahrgänge des Sölviin getragen hat. Auf zusätzlichen 1,3 Hektar stehen weitere Reben, die ihre erste Lese noch vor sich haben. Zwei Hektar Land, eine Vielzahl kleinerer und großer Probleme müssen nun sorgsam beackert werden. Ziel ist es, einen Wein zu kreiren, den der erfahrene Sommelier auch selbst gerne trinken möchte. Bis es so weit ist, wird es nach den Angaben von Profi Keller aber noch mindestens zwei bis drei Jahre dauern. Erst dann wird die harte Arbeit auch im Glas zu schmecken sein. So lange werden die neuen Besitzer auch ihre eigene Freizeit im Weinberg verbringen, um selbst Hand anzulegen. Wenn alles gut läuft, wird später dank guter Vorarbeit ein bisschen weniger Arbeit anfallen. Um den Weinberg dauerhaft gepflegt zu halten, überlegt Benjamin, ob er nicht auch eine Schafherde aus der Heidepflege mit ins Team holt, um Unkraut und wucherndem Gras so natürlich wie möglich den Garaus zu machen. Ob sich der Einsatz auszahlt, lässt sich erst sagen, wenn der erste Schluck des 2022 Jahrganges verköstigt wird. Julia und Klaus-Peter Keller sind aber schon jetzt zuversichtlich, dass der Weinberg in der Obhut seiner neuen Besitzer die besten Chancen hat, hervorragende Trauben zu erzeugen.

Noch verbringen Schwiegervater und Schwiegersohn aber jede freie Minute auf dem Keitumer Feld, um die Anweisungen des Winzers ganz genau zu befolgen. Sie schneiden jede einzelne Rebe von Hand, kürzen das hohe Gras, an das der Mäher nicht heran kommt, entfernen Blätter, damit die jungen Trauben genug Licht bekommen. Die Liste der unzähligen weiteren kleinen und großen Aufgaben ist lang. Aber die erledigt das Müller-Duo mit Feuereifer und Sorgfalt. Die Männer sind sich einig: eigentlich ist das keine Arbeit, sondern genau der richtige Ausgleich zur täglichen Arbeit im Restaurant. Und tatsächlich helfen mittlerweile auch Mitarbeiter aus dem eigenen Gastro-Betrieb an ihren freien Tagen mit vollem Elan bei der Reben-Pflege. Die Begeisterung für den Weinanbau ist offenbar ansteckend. 

Den Weinberg herzurichten, um die besten Trauben ernten zu können, ist nur der erste Schritt auf dem Weg zum echten Sylter Wein. Bislang wurde der Sölviin auf Sylt angebaut, geerntet und gekeltert. Die Abfüllung erfolgte bislang allerdings auf dem Festland. Das will Benjamin Müller Birkholz zukünftig ändern: sein Tropfen soll irgendwann zu 100% reiner Inselwein sein – und schliesslich erst als fertige Flasche die Insel verlassen. Bis dahin steht im Herbst aber zunächst die erste Weinlese an, zu der die Neu-Winzer auch sehr gerne wieder Sylter und Gäste einladen möchte. Allein die Herstellung  des neuen Jahrgangs soll so eine Tradition auf der Insel etablieren, Menschen zusammenführen,  und  Begeisterung für den Weinbau wecken. Und bei wem Bachus vergebens um Aufmerksamkeit für seinen nördlichsten Garten Deutschlands wirbt, für den hält Jörg Müller bei seinen Weinproben vor Ort sicherlich kulinarische Köstlichkeiten aus seiner Restaurant-Küche parat. Denn Essen und Trinken hält bekanntlich Leib und Seele zusammen – das gilt auch auf der schönsten Insel der Nordsee.