Wer in der Geschichte der Menschheit einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat, bekommt oft schon zu Lebzeiten einen Namens-Zusatz verpasst, der für die Nachwelt untrennbar mit der historischen Figur verbunden bleibt: Katharina die Große, August der Starke, Iwan der Schreckliche oder die schöne Helena von Troja sind nur einige Beispiele. Auch auf Sylt gibt es eine solch mächtige, kraftvolle und respekteinflößende Figur, die den Alltag der Einheimischen nachhaltig prägt. Die Insulaner nennen sie ehrfürchtig “Der Blanke Hans”. Und nein, damit ist kein älterer Herr gemeint, der am FKK-Strand ungeniert blankzieht. Das Synonym steht für die stürmische, ehrfurchtgebietende Nordsee.
Der Blanke Hans ist auf Sylt allgegenwärtig – und das überrascht bei einer Insel nicht sonderlich. Denn egal in welche Himmelsrichtung man sich bewegt, stößt man bereits nach kurzer Wegstrecke unweigerlich auf die scheinbar endlosen Wassermassen des nordöstlichen Atlantiks. Die Nordsee ist einzigartig, schön und kraftvoll – und gleichzeitig verbirgt dieser Natur-Koloss ein empfindliches Öko-System, das im Wechsel von Ebbe und Flut alle 12 Stunden in Teilen freigelegt wird. Dem Meer, dem Watt und ihrem Schutz haben die Sylter einen ganz besonderen Gebäude-Komplex gewidmet. Nur einen Steinwurf vom UNESCO-Weltnaturerbe entfernt und unweit des Lister Hafens liegt das Erlebniszentrum Naturgewalten. Das Konzept fasziniert im neuen Gewand seit 2009 nicht nur etwa 70.000 interessierte Besucher jährlich – auch Experten und freiwillige Helfer vom Festland stehen Schlange, um die Forschung, den Schutz und das Infotainment rund um den Blanken Hans aktiv zu unterstützen.
„Das Highlight meines Freiwilligendienstes an der Nordsee sind die Menschen“ Junge Brasilianerin als Bundesfreiwillige in Hörnum auf Sylt
SCHUTZSTATION WATTENMEER
„Ich bin so dankbar für diese einzigartige Erfahrung“, sagt Mirka Barth Bazzani, eine 21-jährige Brasilianerin, die ein Jahr lang ihren Bundesfreiwilligendienst bei der Schutzstation Wattenmeer in Hörnum auf Sylt verbringt. „Es war eine Herausforderung, aber auch eine unvergessliche Zeit.“ Sie ist die erste BFDlerin, die über den AFS ihr Auslandsjahr bei der Schutzstation absolviert.
Mirka kommt aus Pomerode, einer Stadt, wie sagt „mit einer sehr präsenten deutschen Kultur“. Schon daheim hat sie sich für den Umweltschutz interessiert und war aktiv in einer Initiative, die Umweltbildung in Schulklassen organisiert und gemeinsam mit den Kindern Bäume pflanzt. Kurz nach dem Beginn ihres Studiums der Energietechnik entschloss sie sich 2019, zu einem Auslandsjahr nach Deutschland zu gehen. Aber dann kam Corona und der Beginn ihres BFDs verzögerte sich um zwei Jahre. Als sie im März 2022 nach Deutschland ging, war sie aufgeregt, aber auch etwas unsicher, was sie erwarten würde.
Doch bald fühlte sie sich wie zu Hause. Die anderen Freiwilligen bei der Schutzstation wurden zu Freund*innen und die Arbeit im Watt zu einer Leidenschaft. Mirka genießt besonders die Kontrollgänge am Strand, um junge Kegelrobben zu beobachten und zu schützen. „Es war ein unbeschreibliches Gefühl, als ich eine junge Robbe auf einer unserer Kontrollgänge entdeckte und wir sie über vier Stunden bewachen durften“, erzählt sie.
Auch die Wattwanderungen im Sommer und die Schultour im Winter, bei der sie Kindern in zwei nordfriesischen Schulen über das Leben der Schweinswale in der Nordsee berichtete, waren für sie unvergessliche Erlebnisse. „Das Highlight meines Freiwilligendienstes waren die Menschen, denen ich hier begegnen durfte. Ich werde die Zeit hier nie vergessen“, schwärmt Mirka.
Leider ist Mirkas Freiwilligendienst in diesem Monat zu Ende, aber sie freut sich auf den Besuch ihrer Familie in Deutschland und auf die Rückkehr nach Brasilien. „Ich weiß noch nicht genau, was ich nach dem BFD machen werde, aber ich werde mit Deutschland und meinen Erfahrungen hier immer verbunden bleiben“, berichtet sie. „Ich habe so viel gelernt über die Schönheit und Bedeutung des Wattenmeeres“, sagt Mirka. „Ich werde mein Wissen weitergeben und mich auch in Brasilien weiter für den Umweltschutz einsetzen.“