Der Sylter Kalender wird durch eine Reihe an Veranstaltungen geprägt. Den jährlichen Auftakt, macht traditionell die Biike, zu der schon etliche Gäste auf die Insel strömen. Nach einer kurzen Verschnaufpause folgen die Events rund um das Osterfest, dann Pfingsten, Himmelfahrt und im Sommer reiht sich ein Event auf der Promenade an das Nächste. Kleine und große Konzerte beschallen die Insel und das Theater und Kabarettprogramm kann sich teilweise mit Großstädten messen.
Immer mittendrin ist Jörg Elias, seit 2008 Veranstaltungsleiter des Insel Sylt Tourismus Service. Er ist verantwortlich für alles: von der Kapelle in der Musikmuschel bis zu den gigantischen Flughafen Open-Airs. Jemandem, der normalerweise praktisch 24/7 mit der Planung von Veranstaltungen beschäftigt ist, hätten die vergangenen zwei Corona-Jahre den Job ziemlich vermiesen können. Aber Jörg Elias brennt auch nach der langen erzwungenen Flaute für seine Arbeit. Das Positive in den schwierigen Monaten zu sehen, motiviert ihn. Umso feut er sich darauf, seinen Terminkalender wieder üppig mit Konzerten, Events & Co zu bestücken.
Im März 2020 wurde Jörg Elias mehr oder weniger über Nacht aus seiner üblichen Routine geworfen: „Ich sitze mit im insularen Katastrophenstab. Zufällig beschäftigten uns bei einem Treffen ganz zu Beginn der Pandemie die konkreteren Nachrichten vom möglichen Ausmaß. Damals dachte ich mir, da wird jetzt wohl etwas übertrieben“, erinnert er sich. „Das war an einem Freitag. Am Montag darauf war dann schon alles dicht.“ Wie eine Faust ins Gesicht habe sich das angefühlt.
Woraufhin ihm und seinem Team zunächst nur eines zu tun blieb: Sämtliche Veranstaltungen abzusagen, Vertragsklauseln auf Stornierungsregeln zu prüfen und sich zu bemühen mit Künstlern und Beherbergungsbetrieben finanzielle Einigungen zu treffen. Erfreulicherweise sei das Verständnis dafür bei den Beteiligten groß gewesen. „Natürlich waren besonders die Künstler todtraurig über die Absagen. Aber mit ihnen wie auch den Hotels waren die Gespräche immer respektvoll und die Absprachen entgegenkommend.“
Alles abgesagt, verschoben, und nun? Die Veranstaltungs-Abteilung des ISTS setzte sich nicht etwa Däumchen drehend hin und harrte untätig der Dinge, die da kommen. Vielmehr galt es jetzt, mit vereinten Kräften Hygiene-Konzepte nach den Vorgaben des Gesetzgebers zu erarbeiten. Denn verschoben heißt nicht… ganz klar – es sollte so bald wie möglich weitergehen. Hier hätten Veranstalter sowie die zuständigen Behörden sehr gut mit dem ISTS zusammengearbeitet, lobt Jörg Elias. „Wenn wir Fragen hatten, bekamen wir vom Team Recht des Kreises Nordfriesland wirklich umgehend Antworten.“
In den Sommer 2020 ging man denn recht optimistisch. Die Lage schien sich zu entspannen. Obwohl die Anpassung an die neuen Vorgaben im etwa vierwöchentlichen Rhythmus ein echter Kraftakt war. Schon im Juli organisierten Jörg Elias und sein Team wieder ersten kleineren Veranstaltungen wie Diavorträge. Schweren Herzens wurde die Surf-Events auf der Promenade das erste Mal seit Jahrzehnten abgesagt. „Wegen einer begrenzten Zuschauerzahl hätten wir sicher Besucher wegschicken müssen. Das wäre garantiert nicht ohne Ärger abgelaufen“, begründet Elias die Entscheidung. Wie richtig er mit dieser Einschätzung lag, zeigte sich später noch.
„Ein Sommer ganz ohne Unterhaltungsprogramm in der Musikmuschel?… Schlimm.“ Der Veranstaltungsleiter wirkt ehrlich betrübt. Auf der anderen Seite – das Arbeitstier in ihm scheint den Gedanken immer noch etwas schwer fassen zu können – war ein Nebeneffekt der Zwangspause ja erfreulich: „Mal an den Wochenenden und an Feiertagen frei zu haben, das war schon toll!“ Nach rund 30 Jahren daran gewöhnt, ohne regelmäßige Freizeit und eine normale 5-Tage-Woche auszukommen. Kam Jörg Elias da überhaupt mit diesem „Übermaß“ an freier Zeit für sich zurecht? Der Veranstaltungsleiter muss ein wenig grinsen. „Na, ja, erst der Lockdown, dann gleich Ostern, da erwischte mich die Untätigkeit statt der üblichen Feierlichkeiten für die Gäste am Ostermontag doch ziemlich ratlos. Ok, sagte ich mir, mache ich eben einen Spaziergang.“ Gar nicht so einfach, die gewohnte Betriebstemperatur herunterzufahren. Im Gegensatz zu vielen anderen Arbeitnehmern konnte er seine Arbeit nicht einfach digital weiterführen.
Deshalb konnten die Kultur- und Sportveranstaltungen nur immer weiter nach hinten verschoben werden. „Man war natürlich auch etwas ängstlich, in dieser schwer einzuschätzenden Situation. Niemand wollte für ein Superspreader-Event verantwortlich sein.“
Im Juni 2021 startete die „Musik am Meer“ mit Live-Band in der Musikmuschel auf der Promenade. Zweifellos eine erfolgreiche Teamleistung für ein möglichst sicheres Unterhaltungsangebot an die Gäste. Allerdings fällt das Fazit von Jörg Elias dazu aus dem befürchteten Grund ernüchternd aus. „Wir hätten es lassen sollen.“ Bei allem Bemühen habe es trotzdem Ärger mit uneinsichtigen Gästen gegeben, die sich nicht an die geforderten Auflagen halten mochten.
Doch Jörg Elias ist zu sehr Profi und im besten Sinne Workaholic, um sich davon den Spaß an seiner Arbeit nehmen zu lassen. Wobei er selbst wohl vor drei Jahrzehnten am wenigstens damit gerechnet hätte, diesen Job so lange und gut zu machen. „Ich bin eigentlich gelernter Tischler und wollte nie im Büro sitzen“, verrät der gebürtige Sylter. „Zufällig habe ich damals hier als Plakatkleber angefangen. Mit dem Aufbau bei Veranstaltungen ging es weiter. Ich will meine Arbeit immer bestmöglich machen – und einige haben offenbar gedacht, dass ich dafür qualifiziert bin“, lacht er bescheiden. Seine Arbeitszeit verbringt er keineswegs nur im Büro. Während des Surf-World-Cups etwa kommen üblicherweise „einige Kilometer zusammen, wenn ich vom Bürostuhl zur Promenade hin und zurück flitze, um nach den Rechten zu sehen und da hier und dort mit anzupacken.“ Im Arbeitsalltag unter Pandemiebedingungen waren Zollstock und Bestuhlungsplan seine festen Begleiter. „Wir mussten zwischen allen Stühlen die vorgeschriebenen Abstände messen und sie zurechtrücken. Oder auch die Künstler auf der Bühne weit genug entfernt von der ersten Reihe platzieren.“ So konnten zum Beispiel im Alten Kursaal nur 100 Zuschauer statt der möglichen 390 sitzen. Aber immerhin war ein eingeschränktes Unterhaltungsangebot machbar.
Langeweile kam in den vergangen zwei Jahren nie auf. Entweder bastelte das Veranstaltungs-Team an Ablaufplänen und Hygiene-Konzepten, arbeitete Liegengebliebenes auf oder hübschte die verwaisten Räumlichkeiten für die kommenden Veranstaltungen wieder auf. Für 2022 seien die Planungen immer noch verhalten – eher emotional als rational begründet, bestätigt Jörg Elias. Gewissheit bestehe bisher nicht, die Motivation ist umso höher.
Trotz allem freut er sich darauf, dass es wieder losgeht. Lediglich eine kleine Befürchtung gibt er zu: hoffentlich in den letzten zwei Jahren nicht etwas an Routine verloren zu haben und Kleinigkeiten bei der Organisation zu vergessen. Doch auf sein eingespieltes Team in der Veranstaltungs-Abteilung, dem er für die gute Zusammenarbeit sehr dankbar ist, kann Jörg Elias sich verlassen: Gemeinsam bekommen sie vom Vortrag bis zum Surf-World-Cup alles in den Griff. So nett, wie die ungewohnt frei verfügbare Zeit auch war – Silvester 2022 möchte der Veranstaltungsleiter endlich wieder in der Musikmuschel stehen und mit der Partymenge feiern.